Jeden Samstag um 13 Uhr bietet der Verein "Skarb", was auf polnisch "Schatz" heißt, Führungen durch die Ruinen des einstigen Hydrierwerks Pölitz an. Pölitz (Police) ist der Name der nördlich an Stettin angrenzenden Kleinstadt, die von einem riesigen Chemiewerk überragt wird.
In dem ab 1937 von der deutschen IG Farben (heute BASF/Bayer) in Pölitz erbauten Hydrierwerk wurde aus Kohle (die meist über die Oder aus Oberschlesien angeliefert wurde) in einem aufwändigen Verfahren kriegswichtiges Kerosin und Benzin für die Wehrmacht hergestellt.
Pölitz wurde 1939 zu Stettin eingemeindet, für die deutschen Arbeiter wurden im Ort mehrere Siedlungen errichtet. In dem Werk waren aber auch viele Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge beschäftigt, die in den mehreren Lagern um das Hydrierwerk herum untergebracht waren. Aufgrund der Existenz der Fabrik wurde Pölitz Ziel mehrerer schwerer Luftangriffe der Alliierten. Das Werk selbst wurde nach Kriegsende 1946 auf Befehl der Sowjetarmee von deutschen Kriegsgefangenen demontiert und in der Sowjetunion wieder aufgebaut. Das, was die Sowjets nicht verwenden konnten, ließen sie zurück: Übrig blieben einige Bunker und Betonskelette einstiger Fabrikhallen, eines Güterbahnhofs und eines Elektrizitätswerks. Polnische Pioniere sprengten die Reste, danach trainierte die polnische Armee jahrelang auf dem Gelände für den Ernstfall. Die Ruinen sind also heute mehr als nur "baufällig". Einige unterirdische Gänge sind auf dem Rundgang, den die Pölitzer Stadtführer ehrenamtlich anbieten, und der - zusammen mit einer einleitenden Museumsführung kurzweilige 2-3 Stunden dauert - dennoch recht problemlos zu erkunden.
In der Regel finden die kostenlosen (!) Führungen samstags nur auf Polnisch statt, wenn man nett vorher per Mail anfragt, kramen die Guides aber auch ihre Deutsch- und Englischkenntnisse hervor und stellen eine (auch für nicht-Technik- und lost-place-Interessierte) spannende mehrsprachige Tour zusammen. So viel Engagement sollte mit einer Spende an den recht jungen Verein belohnt werden, der jeden Groszy für die Erweiterung des Museums benötigt.
Fotos dürfen auf der Tour überall gerne gemacht werden. Da es über viel Ruinen und durch überwuchernden Urwald geht, sollte entsprechende Kleidung und Schuhwerk eingepackt werden. Für diejenigen, die nicht mehr gut zu Fuß sind, lohnt allein der Besuch des von Verein liebevoll zusammengestellten Museums in den beiden Bunkern zu Beginn der Führung (ca. 13-14 Uhr). Hier sind von Küchen-Hinterlassenschaften der deutschen Pölitzer von vor 1945 bis hin über alte Uniformen bis hin zu Telefonen der 1980er Jahre viele gut erhaltene Exponate zu bestaunen. Außerdem wird natürlich über die Geschichte des Hydrierwerks und über das Schicksal der in Pölitz von den Nazis beschäftigten Zwangsarbeiter berichtet.
Treffpunkt: jeden SA, 13 Uhr, ul. Spółdzielcza 31, 72-010 Police (Pölitz). Anmeldung per Mail ratsam --> Kontakt (Führungen, Museum, Verein) auf der
SKARB-Webseite
Anreise: Straßenbahnlinien 1 und 9 von der Stettiner Innenstadt (z.B. ab Berliner Tor) bis zur Endhaltestelle Glebokie (Glambecksee) und dann den Bus 103 bis Police, Tanowska Skola. Von dort 100 Meter Fußweg bis zu den zwei Bunkern, in denen sich die Museumsräume des Vereins befinden.
Fotos: